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Agri-PV: der Effizienz-Booster für Ackerflächen

Agri-PV
Photovoltaik-Wissen
Aktualisiert am 16. September 2021
8 Min. Lesezeit
Julius Lenk
Julius Lenk

Ackerbau trifft auf PV. Agri-PV-Anlagen sind im Kommen und machen eine Doppelnutzung einer Fläche für die Landwirtschaft und die Energieproduktion möglich. Welche Ansätze und Techniken gibt es schon?

Was kommt auf den Boden? PV-Freiflächenanlagen konkurrieren oft direkt mit der Landwirtschaft und besonders dem Anbau von Feldfrüchten wie Kartoffeln. Landflächen sind in Deutschland knapp, aber über kurz oder lang brauchen wir auch diese für die Energieproduktion. Eine Lösung könnten Agrikultur-Photovoltaiksysteme (Agri-PV) sein. Damit kann Strom erzeugt und die Fläche parallel für die Landwirtschaft genutzt werden. Durch die Photovoltaik und die Unterkonstruktion geht dabei nur wenig Anbaufläche verloren.

Das Potential

Das Potenzial für Agri-PV ist groß: So hat das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE berechnet, dass nur 4 % der deutschen Ackerflächen ausreichen würden, um bilanziell den gesamten aktuellen deutschen Strombedarf zu decken. Der Anbau von Energiepflanzen braucht rund 14 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland. Viel effizienter wäre also eine Doppelnutzung mit Agri-PV-Systemen.

Mehrfachnutzung heißt das Zauberwort

Auf einem Hektar Land können zum Beispiel entweder 100 % Kartoffeln wachsen oder 100 % Strom durch Freiflächen-Photovoltaik geerntet werden. Wird Agri-PV eingesetzt, könnten auf dem Hektar 103 % Kartoffeln angebaut und darüber rund 83 % PV-Strom erzeugt werden, was eine Landnutzungseffizienz von 186 % macht, also 86 % mehr.

186 % sind es nicht immer, je nach Feldfrucht und jährlicher Sonneneinstrahlung variiert der Wert. Kartoffeln vertragen eine leichte Verschattung durch die PV-Module gut, Mais (C4-Pflanzen) leidet eher darunter. Die Erträge fallen nicht hoch aus. Welche Pflanzen gut mit der Agri-PV harmonieren erforschen Wissenschaftler gerade.

Welche Agri-PV-Typen gibt es?

Für die Agri-PV gibt es verschiedene Ansätze, je nach Aufbau, eingesetzter Technik, angebauten Pflanzen und Bewirtschaftung. Für die erste deutsche Agri-PV-Versuchsanlagen der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf wurde keine komplette Überbauung geschaffen. Sie installierten die PV-Module auf senkrechten Pfosten, die durch simple Rammverfahren befestigt wurden und ohne Fundamente auskommen. Die PV-Module können mit einem Stellmotor einachsig von Ost nach West der Sonne folgen. Sie können auch Landmaschinen ausweichen, die Bearbeitung wird so leichter.

Alternativ könntest du auch landwirtschaftlich genutzte Flächen überbauen. So gemacht wurde das zum Beispiel für eine Versuchsanlage des Fraunhofer ISE in Heggelbach am Bodensee. Hier können Landmaschinen problemlos unter der Konstruktion arbeiten. Die Abstände und die Durchfahrtshöhe sind groß genug. Das Fraunhofer ISE setzte bifaziale PV-Module ein, die Licht durchlassen und das Licht, das vom Boden zurückgestrahlt wird, nutzbar machen. Gut tut das auch den Pflanzen.

Auch kann eine Ackerfläche mit einer Art PV-Netz überspannt oder mit verschiebbaren PV-Rundbögen auf einem Schienensystem überbaut werden. Hier hat Goldbeck Solar ein innovatives Produkt geschaffen, das in 2,50 bis 3,50 m Höhe installiert wird. Dieses Rundbogen-System macht die Anlage flexibler und weniger Unterkonstruktion ist nötig.

Solarmodule kannst du aber auch bodennah aufständern, in Reihen mit Abstand. Einsetzen kannst du hier bifaziale Module, die beidseitig Strom erzeugen und im Idealfall Richtung Ost-West aufgebaut sind. So können höhere Strompreise erreicht und das Stromnetz stabilisiert werden. Lastspitzen treten antizyklisch zum PV-Mittagspeak am Vormittag und am Nachmittag auf.

Die Modul-Konstruktion ist normalerweise 3 m hoch, hier gibt es aber Spielraum. Die Reihenabstände sind mindestens 8 m groß. Die PV-Anlage braucht etwa 10 % der Fläche, der Rest bleibt für die Landwirtschaft verfügbar. Die PV-Module schützen vor Wind sowie Erosion. Auch die Wasserverdunstung wird weniger. Diese PV-Technik macht sich ebenso gut als Zaun, Lärmschutzwall oder an Straßen und Fahrradwegen.

Sonderkulturen + Agri-PV

Sonderkulturen, also Wein, Obst, Gemüse, Hopfen oder Blumen brauchen oft Wuchshilfen oder Schutz vor Wind, Tieren und Wetter. Der Klimawandel verstärkt diesen Bedarf noch. Die Agri-PV kann diese Konstrukte ersetzen oder reduzieren, also Plastiktunnel ade. In Büren wurde ein solches Projekt umgesetzt. Dort werden Beeren unter eine PV-Konstruktion gepflanzt.

Lichtdurchlässige PV-Module sorgen für genügend Licht. Durch die Abstände zwischen den Modulen kommen Wasser und noch mehr Licht an die Pflanzen. Ein Dach zum Schutz vor Hagel, Starkregen und zu viel Sonne bieten die Solarmodule außerdem. Die Anlage wurde so geplant, dass Traktoren einfach unter den Modulen arbeiten können. Die PV-Module haben eine Ost-West-Ausrichtung und produzieren so länger Strom. Dadurch können sie bei einer Vermarktung auch höhere Gewinne an der Strombörse erzielen.

Was sagt der Gesetzgeber?

Aktuell stehen der Agri-Photovoltaik noch einige Hürden in Sachen Gesetze im Weg. Zum Beispiel taucht die Doppelnutzung von Agrarflächen nicht in den Gesetzen auf. Die EU-Agrarförderung und die EEG-Einspeisevergütung entfallen. Im EEG 2021 haben Agri-PV-Anlagen erstmals die Chance auf eine Förderung durch das Zuschlagsverfahren der besonderen Solaranlagen, das auf 50 MW gedeckelt und auf das Jahr 2022 begrenzt ist. Die Agri-PV konkurriert hier aber mit PV-Anlagen über Parkplatzflächen und der Floating-PV, also schwimmenden Photovoltaik-Anlagen. Das macht es viel wahrscheinlicher, dass diese Anlagen bald stärker berücksichtigt werden.

Norm in Sicht

Angestoßen durch das Fraunhofer ISE, die Universität Hohenheim, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und zusammen mit vielen Interessensgruppen, wurde eine vorläufige Norm (DIN SPEC) entwickelt, die Agri-PV DIN SPEC 91434. Sie soll den Aufschlag machen und die rechtlichen und politischen Weichen stellen. Sie bestimmt Anwendungsbereiche, Begriffe, Kriterien, Anforderungen und kategorisiert die Agri-PV.

Wie machen es andere Länder?

Weltweit sind schon mehrere GW Leistung in Form von Agri-PV Systemen installiert und haben ihren ökonomischen und ökologischen Nutzen bewiesen. Egal ob in Japan, Korea, den USA oder in weiten Teilen Südamerikas, die Menschen haben die Vorteile der Agri-PV erkannt und erste Projekte umgesetzt. In Frankreich gibt es schon ein eigenes Förderprogramm für die Agri-PV. Hier können wir also schon lernen und abkupfern.

Fazit

Verschiedene Ansätze der Agri-PV bieten verschiedene Vorteile. Sie alle bringen aber die Interessen der Landwirte und der Energiewende unter einen Hut: Eigentümer können landwirtschaftliche Flächen nutzen und gleichzeitig Energie produzieren. Das schafft ganz neue Energiepotentiale, die mit wenigen anderen Interessen kollidieren.

Landwirte können mit Agri-PV nicht nur Strom erzeugen, sondern auch noch Ihre Pflanzen schützen, ihnen Wuchshilfen bieten und die Ernte stabilisieren. Gerade für trockenere Regionen ist das ideal. Auch neue Einnahmequellen können Landwirte schaffen, was den ganzen Sektor stärkt.

Agri-PV Anlagen liegen zwar preislich etwas höher als PV-Freiflächenanlagen, sind aber kostentechnisch mit PV-Dachanlagen vergleichbar. Die Synergieeffekte sind im Sonderkulturanbau wie bei dem Projekt in Büren meist so hoch, dass sie heute schon ohne EEG-Förderung und EU-Agrarsubvention wirtschaftlich umgesetzt werden können. Eine strahlende Zukunft für die Agri-PV sehen wir.

Zusammengefasst:

  • Mit Agri-PV-Projekten kann eine Fläche für die Landwirtschaft und die Energieproduktion genutzt werden, also doppelt.
  • Es gibt bisher verschiedene Ansätze je nach eingesetzter Technik, dem Aufbau der Anlage, der angebauten Pflanzen und der Bewirtschaftung.
  • Bisher ist Agri-PV in Gesetzen und Richtlinien noch kein Thema und so stehen einige Hürden. Eine erste Norm ist aber da und der erste Aufschlag gemacht.

Quelle: Fraunhofer ISE, Youtube

Titelbild: © MKG Göbel

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